Montag, 15. Dezember 2014

Der Unterschied zwischen "Muße" und "Muse"


Die Muße wird oft mit Muse verwechselt. Ich werde oft nach dem Unterschied von Muße und Muse gefragt. Die beiden Wörter haben eine andere Geschichte und eine andere Etymologie. Die Bezeichnung  "Muse" kennen wir aus der griechischen Mythologie und klar ist, dass sich hier kein "ß" im Laufe der Zeit in ein „s“ verwandelt hat. Beide Wörter, "Muse" und "Muße" haben eine andere Wortherkunft. Muße heißt griechisch σχολἠ scholé, lt. otium, deutsch Schule. Man sah in der ascholía oder dem negotium, der "Unmuße", den davon abgeleiteten Gegensatz. Die »muoza« (althochdeutsch) und später »muoaze« (mittelhochdeutsch) hat die Bedeutung von freier Zeit (den Begriff »Freizeit« gab es im Mittelalter noch nicht). Mit freier Zeit verbunden, war »muoze« auch Bequemlichkeit, angemessene Gelegenheit und Spielraum, der sich nach Belieben gestalten ließ. Das alte, ausgestorbene Verb »muezen« bedeutet »habe mir zugemessen, besitze als mir Zugeteiltes: Raum, Zeit, Gelegenheit und Kraft«. Das Verb „müssen“, so wie wir es haute kennen, hat einen zwanghaften Gehalt. Das heißt die ursprüngliche Bedeutung von „muezen“ hat sich im Laufe der Zeit ins Gegenteil verkehrt. Das Adjektiv »müßig« dagegen ist abwertend: »Das ist müßig« bedeutet: »Das ist überflüssig.« Muße wird verstanden als "freie bewusste Tätigkeit" (G. Dischner). Sie ist heitere, spielerische Gelassenheit und vollzieht sich in einem Spannungsfeld zwischen Konzentration und Entspannung."


"Muse" hingegen ist aus dem gr. "Mousa" entlehnt und der Name der griechischen Göttinnen der Kunst (und "Wissenschaft). Jeder kennt die Redewendung "von der Muse geküsst werden", was so viel heißt wie zu künstlerischen Leistungen inspiriert zu werden.

Ich könnte auch sagen: „Ohne Muße gibt es keine Kunst“, denn für den "Musenkuss" oder die Inspiration brauchen KünstlerInnen Muße.

Oft werden auch heute noch Frauen als Musen bezeichnet (vereinzelt auch Männer). Auf dem langen Weg zur Selbstbestimmung der Frau waren/sind Frauen Musen, die männliche Künstler (z. b. Charlotte von Stein, Amanda Lear, Dora Maar, Alma Mahler-Werfel, Camille Claudel) inspirieren. Die Frau wurde so zum Werkzeug für männlichen Projektion: nicht ihre eigene, sondern die männliche Subjektwerdung stand im Vordergrund. Die Frau als Muse wurde über den Mann definiert und als Gehilfin für den männlichen Ruhm betrachtet. Das Klischee von der Frau als Muse, die sich nicht über sich selbst sondern über den Mann definiert, hält sich bis heute hartnäckig.

Missverständnisse um die Muße.
Ein Missverständnis ist, dass Muße mit Zeitmanagement verwechselt wird. Muße soll dabei helfen, Zeit zu sparen, damit sie wieder anderweitig sinnvoll genützt werden kann. Der Wert der Muße liegt aber gerade darin, dass sie für sich selber steht und Reflexion ermöglicht. Sie ist ein absichtsloses Tun, eine gewisse Gestimmtheit, die Offenheit voraussetzt und das gegenwärtige Erleben möglich macht.

Bei der Muße handelt es sich um einen eigenen Umgang mit einer bestimmten Form der Zeit. Es ist notwendig, sich beim Begriff „Muße“ in Abstimmung der Definitionen von verschiedenen Muße-Lobpreiserinnen und -Lobpreiser aus drei Jahrtausenden stets neu zu verständigen. Es gibt keinen Mußebegriff, der quer durch die Jahrhunderte anwendbar wäre.

Irrtümlicherweise wird die Muße, als Teil der freien bewussten Tätigkeit, mit Faulheit und Trägheit verwechselt (heute "Prokrastination" genannt). Viola Vahrson hat die Unterschiede in ihrem Buch „Faulheit“ (Trägheit, Verdruss und Langeweile – die alten Christen nannten das Acedia und gebrochen wird diese Melancholie durch das Nichtstun der Erkenntnis, die Muße, die Philosophie) sehr schön auf den Punkt gebracht: „Ist die Faulheit mit ‚Trägheit verschwistert, so die Muße mit Munterkeit. Sie äußert sich in Bewegungsfreude, zum Beispiel Reisen…Erkenntnisfreude, Forschungsdrang.“

Literaturtipp: Gisela Dischner: Wörterbuch des Müßiggängers. Aisthesis Verlag, 2009.

1 Kommentar:

  1. Werte Frau Knaus
    Vielen Dank für den nützlichen und interessanten Artikel und Literaturtipp.
    Freundliche Grüsse
    Claudia Graf-Jakob

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